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von Karola Kücken, Europakoordinatorin der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen , Vertreterin der antiimperialistischen Plattform der Wltfrauenkonferenz in der United Front

Gegen Faschismus, Krieg und Umweltzerstörung Februar 2024

Im Februar besuchte eine Solidaritätsdelegation der United Front die Menschen der Westsahara im Flüchtlingslager in Algerien. Die Reise kam zustande auf Einladung Chaia Seinis, sie ist Mitgliedes des Consultativ Comites der United Front. Chaia ist in ihrem Land Mitglied der Nationalen Union der Frauen der Sahara (Westsahara). abgekürzt UNMS, die Vorsitzende der UNMS heißt Chaba Seini Brahimi, sie empfing die Delegation. Chaia hat am Gründungskongreß der UF im September 2023 teilgenommen. Dort berichtete sie über die Situation in ihrem Land, weil sowohl die Situation als auch der Kampf des saharauischen Volkes kaum bekannt ist.

Die Westsahara ist ein Territorium an der Atlantikküste Nordwestafrikas, das von Marokko beansprucht und nach dem Abzug der ehemaligen Kolonialmacht Spanien 1975, größtenteils annektiert und besetzt wurde. Marokko beansprucht das Gebiet des saharauischen Volkes völkerrechtswidrig als Teil seines Territoriums. Es hat nach einer Schätzung von 2019 etwa 597.000 Einwohner.

1973 wurde noch während der spanischen Kolonialzeit die politische und militärische Volksfront zur Befreiung von Saguia el-Hamra und Rio de Oro, die Polisario-Front, gegründet. Am 27. Februar 1976 rief die Frente Polisario die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) aus und gründete wenige Tage später eine Exilregierung in Algerien. Bis 1991 hat das saharauische Volk einen bewaffneten Befreiungskrieg geführt. Der damals ausgehandelte Waffenstillstand mit Marokko gilt, unseres Wissens, bis heute wird aber v.a. seit 2020 immer wieder durchbrochen. Immer wieder gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen. Das von der UNO ausgehandelte Referendum über das Selbstbestimmungsrecht der Saharauis wird bis heute von Marokko sabotiert. Die Ausbeutung der Naturschätze in der besetzten Westsahara und ihrer Küstengewässer ist für Marokko und kooperierende internationale Konzerne lukrativ. Die natürlichen Ressourcen wie Phosphat und andere Mineralien sowie eines der größten Fischgründe der Welt, über die das Land verfügt, wurden geplündert und lösen natürlich noch immer große Begehrlichkeiten aus. Marokko nutzt die strategischen Interessen an der Region und bewegte u.a. Länder wie Deutschland und Spanien zum Kurswechsel. Marokko spielt nicht nur eine große Rolle für die Produktion von erneuerbaren Energien, sondern auch für die Steuerung von Flüchtlingsbewegungen aus der Sahel-Zone.

So lebt das saharauische Volk heute in besetzten Gebieten in Marokko und in freien Gebieten in Algerien, dort allerdings in 4 Flüchtlingslagern. Obwohl sie dort in Sicherheit leben, müssen sie doch vollständig extern, hauptsächlich von Algerien, versorgt werden und leben somit in vollständiger Abhängigkeit von internationaler Hilfe.

Eine 2700 Km lange Mauer zwischen dem besetzten Gebiet und dem Flüchtlingslager, mit Millionen Landminen versetzt, verhindern persönlichen Kontakte und trennen Familien über Jahrzehnte. Chaia berichte, dass sie ihre Großmutter noch nie gesehen hat. In dem Flüchtlingscamp bei Tindouf leben insgesamt ca. 170 000 Saharauis in mehreren Siedlungen oder Provinzen, Wilaya genannt, die selbst organisiert und verwaltet sind.

Hier möchten wir Euch von dieser hochinteressanten und außergewöhnlichen Reise berichten. Um es vorweg zu sagen: wir meinen, dass es mit einem Bericht über die Reise nicht getan ist, dass es viel mehr zu berichten gibt, als auf Papier gefasst werden kann. Deshalb wollen wir einen kleinen Power Point Vortrag erarbeiten, den wir anbieten werden, um alle, die sich dafür interessieren, an dieser Reise teilhaben zu lassen.

Ende Februar, um 5 Uhr früh, treffen wir in der algerischen Provinz Tindouf ein und werden von algerischem Militär bis zur Grenze um das selbstverwaltete Gebiet der Camps, dann vom Militär der RASD, in eines der 4 Flüchtlingslager dieser Region eskortiert. Abgeholt und begleitet werden wir von unserer Gastgeberin Chaba, der Generalsekretärin der Nationalen Vereinigung der Saharauischen Frauen (NUSW).

Wir, das sind 4 Frauen aus Deutschland, aus folgenden Organisationen, die auch Mitglieder der United Front sind: Weltfrauenkonferenz, Frauenverband Courage, MLPD, REBELL und dem Freundeskreis Flüchtlingssolidarität.

Der Anlass der Reise war das Festival zum 48-jährigen Bestehen der Demokratischen Arabischen Republik Shara (abgekürzt in Spanisch RASD). Das wurde mit einer großen Parade am ersten Tag unseres Aufenthaltes und vielen hohen Staatsgästen und internationalen Delegationen begangen. Wir, als Ehrengäste, nahmen in einem großen Zelt neben vielen ausländischen Gästen Platz. Der gesamte Ort, jede Schulklasse, jede Sportgemeinschaft, Frauengruppen, Jugendliche, politische Gruppen, Frauen und Mädchen, Jungen und Männer, auch das Militär und Hilfsorganisationen wie die UNHCR, alle haben sich auf dieses Fest vorbereitet. In einem großen Defilee zeigen sie stolz die Entwicklung und die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. In Tänzen und Performance stellen sie ihren Kampf, ihre Lebensfreude, auch die Leiden und Hoffnungen ihres Volkes in farbenprächtigen Kleidern und Kostümen dar. Unmittelbar danach begegnen wir bei einem Fest im Freien, der besonderen Gastfreundschaft und Freundlichkeit der saharauischen Menschen des Camps, den Frauen der Polisario und der NUSW und vieler anderer Frauen und Organisationen. Temperamentvoll, mit Musik und gegenseitigem Interesse und dem ersten Austausch von Informationen, wer seid ihr? Woher kommt ihr? Die meisten sprechen Spanisch, einige Englisch. Erste Fotos entstehen mit Fahnen und schwesterlichen Umarmungen.

Überhaupt war der Empfang, die Begrüßung überaus herzlich, freundlich und völlig unkompliziert. Unser Besuch wurde sehr sorgfältig geplant und organisiert. Groß ist das Bedürfnis, uns zu berichten über ihr Leben, über das Besondere, das ihr Volk ausmacht, das Zusammenleben, dass sie sich über die Jahrzehnte auf engstem Raum erkämpft haben. Und ihr Wunsch, dass wir ihre Situation als Botschafter weitertragen.

Wie sieht das Leben aus, in einem Camp in der Wüste, unter den Bedingungen der völligen Abschottung, des Waffenstillstandes, eingesperrt, bewacht?

Wie sieht der Kampf um die Unabhängigkeit und der Kampf um das Selbstbestimmungsrecht aus, dabei die Würde und den Stolz eines Volkes zu bewahren und die Entwicklung und das Zusammenleben zu fördern. Wie sieht der Alltag in so einem Camp, in diesem Camp aus?

Wir werden im Haus einer saharauischen Familie als Gäste untergebracht, herzlich begrüßt und jeden Tag liebevoll um- und versorgt. Die Häuser, die von außen sehr karg und grob gebaut wirken, sind innen gemütlich und schön. Wir essen auf traditionelle Art, auf dem Fußboden sitzend, was täglich eine Herausforderung für die weniger Sportlichen unter uns darstellt. Die Hausherren zelebrieren mehrmals täglich die Teezubereitung und servieren ihn für uns, immer mit Datteln und Brot.

 

Chaba, unsere Gastgeberin hat viele interessante Begegnungen mit interessanten Menschen organisiert, die alle viel zu berichten haben und dies auch tun. Wir haben einen ständigen Begleiter, der sich um uns kümmert und auch die Übersetzung von arabisch, englisch und spanisch übernimmt. Mbarca Malaynin, Mitarbeiterin der Juristischen Kommission des Parlamentes der Saharauischen Republik, in dem sie die Frauen vertritt, besucht uns am ersten Tag und berichtet uns über den hohen Frauenanteil von 43 % im Parlament. Das wäre früher undenkbar gewesen. Als die Männer im bewaffneten Kampf waren, hätten die Frauen gezeigt, dass sie alle Aufgaben, die sie für und von den Männern übernommen haben, genauso gut oder sogar besser bewältigen können. Sie haben das Leben organisiert und verwaltet. Das ist bis heute so geblieben, die Männer haben damit kein Problem. Für die Gleichberechtigung der Frauen hatte es hier andere Ausgangsbedingungen gegeben und einen anderen Weg, eine andere Art und Weise, Selbstbestimmung und Respekt zu erlangen. Uns interessiert, welche Themen stehen im Parlament zur Debatte? Heute gebe es keine Konflikte um die Gleichberechtigung. Sie behauptet stolz, dass es den saharauischen Frauen von allen Frauen auf der Welt, am besten gehe, weil sie die freiesten Frauen wären. An anderer Stelle hören wir, dass es in den 50 Jahren des Bestehens des Camps keinen einzigen Vorfall von Gewalt gegen Frauen gegeben habe. Natürlich wollen die Frauen auch hier schön sein, Sexismus gebe es aber nicht. Das alles ist natürlich hoch interessant, teils auch schwer vorstellbar, eine Vertiefung dieser Fakten gelingt uns leider nicht.

Wie ist diese Demokratie entstanden? Von unseren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern erfahren wir:

Die Demokratie wurde hart erkämpft, die Männer waren im Kampf, die Frauen haben derweil das Leben organisiert. So ist eine Gleichberechtigung entstanden, bei der es heute sehr selbstverständlich geblieben ist. In allen Entscheidungsbereichen, in verantwortungsvollen Positionen und Lebensbereichen haben Frauen einen überdurchschnittlichen hohen Anteil. Auch im Islam sei das so geregelt, es käme eben darauf an, wie man den Islam interpretiere. Dabei habe es weder Widerstände der Männer, noch Konflikte gegeben, weil alle das gleiche Ziel verfolgten, die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Die Menschen leben die islamische Religion und legen Wert auf die Feststellung, dass der Islam nicht überall gleich sei. Hier gebe es keinerlei Probleme innerhalb der Religion, wie sie aus dem arabischen Raum und anderen Teilen der Welt bekannt wären. Bei den Sahrauris haben die Frauen eine hohe Stellung, es gibt auch kein Verschleierungsgebot.

Es gibt riesige Erfolge in der Alphabetisierung, das Analphabetentum ist überwunden. Es gibt ausreichend und für alle Kinder Kitas und Schulen. Es gibt sogar ein Gymnasium, das von Venezuela finanziert und unterhalten wird, die Lehrkräfte kommen aus Kuba. Die Alphabetisierung war ein harter Kampf, heute habe aber die Bildung für alle, ihren festen Platz gefunden. Wir fragen: Haben die Jugendlichen auch Träume, z. B. von einem besseren Leben wie wir sie bei uns kennen? Ja, erfahren wir. Hier gibt es auch diese Träume. Im Camp gibt es zwar eine sehr gute Schulbildung, aber wenn die Jugendlichen studieren wollen, müssen sie ins Ausland gehen. Viele Menschen auf so wenig Raum, stellt schon ein Problem dar, trotzdem gibt es keine nennenswerte Gewalt, Probleme unter den Jugendlichen, wie in den westlichen Ländern, gibt es hier nicht. Es gibt sehr wenig Arbeit, das ist problematisch. So verlassen viele Jugendliche das Camp, aber wenn sie zum Kampf gerufen werden- kämen sie sofort.

Wir werden empfangen von der Gouverneurin des Gebietes Bujador, ihre Stellvertreterin ist ebenfalls weiblich, die Mitarbeiter sind männlich. Es gibt kommunale Strukturen und Verwaltungen, in denen sie das Leben in festen Strukturen, aber in kollektiver Verantwortung und Miteinander, organisieren. Auch hier sind überwiegend Frauen in den Leitungsebenen zu finden. In jeder Gemeinde sind die Bürgermeisterinnen ausschließlich Frauen. Glückwunsch dazu von uns!!!! Jede Gemeinde hat 1 Schule, eine Kita, 1 Hospital und eine Gesundheitsstation, die auch gleichzeitig soziale Verantwortung übernimmt und Anlaufpunkt für Frauen und Familien ist.

Das Leben im Camp ist sehr einfach. Was uns berichtet wurde, über das Miteinander, erleben wir in jedem Moment, bei jeder Begegnung. Freundlichkeit, zuvorkommendes, respektvolles Miteinander, viel Fröhlichkeit und Lachen. Auf den Straßen gibt es kaum Müll oder achtlos Weggeworfenes. Es gibt kleine Supermärkte, in denen man Lebensmittel einkaufen kann, kleine sehr einfache Baumärkte, auch ein kleines Möbelgeschäft. Die Straßen sind unbefestigt, löcherig und sehr staubig – Wüste eben und als Mitfahrerin in einem Auto, sehr abenteuerlich.

Was ist das Besondere der kollektiven Gemeinschaft hier? Dazu erfahren wir in jedem Gespräch sehr viel Interessantes, mit großem Stolz vorgetragen. Wir erfahren, dass das gesamte Leben kollektiv organisiert wird. Alle erhalten den gleichen Anteil an Gütern und Geld, alles stammt aus Hilfsgütern und Spenden. Unterschiede im Einkommen gibt es aber je nachdem, wie viele Familienmitglieder in Algerien oder im Ausland arbeiten und was sie verdienen. Häuser kann man im Camp nicht kaufen, man kann nur eines bauen, mit der Gemeinschaft. Die Ausführungen des Präsidenten des „Roten Halbmondes“ (bei uns Rotes Kreuz), gleichzeitig ein führender Repräsentant der Polisario, sind hoch interessant. Sie machen uns aber ebenso nachdenklich, was bestimmte Aussagen betrifft. Die große Herausforderung bestünde im gleichzeitigen Kampf um die Erlangung der Unabhängigkeit und dem Aufbau des Staates. Die Polisario räumt dem Kampf um die Unabhängigkeit oberste Priorität ein. Erst wenn diese erlang ist, wird es eine Entscheidung über den politisch ideologischen Weg geben. Also liegt das solange auf Eis? Die Frage bleibt unbeantwortet. Obwohl die Ungerechtigkeit in der Welt ein großes Thema ist und ständig benannt wird, laufen alle, auch sehr intensiven Bemühungen unsererseits, über die Ursachen dieser Ungerechtigkeit zu sprechen, ins Leere. Die Darstellungen der Marxistisch leninistischen Positionen über den notwendigen internationalen Kampf zum Sturz des imperialistischen Weltsystems und die Perspektive eines echten Sozialismus, die auch über den weiteren Erfolg des nationalen Befreiungskampfs entscheidet, werden aufmerksam angehört, bleiben aber unkommentiert. Er spricht ausführlich über die kollektive Gemeinschaft. Das gesamte Leben wird kollektiv organisiert. Oberste Priorität hat immer der Mensch und seine Arbeitskraft. Das wichtigste Kapital in der Welt sind die Menschen. Die Polisario hat klare Prinzipien gegen jede Ungerechtigkeit, gegen Rassismus, Zionismus oder Apartheid. Es gebe hier keinen Menschen ohne Familie, deshalb auch keine Bettler, keine Obdachlose oder Menschen in Pflegeheimen. Was hier propagiert und angestrebt wird, sind sehr wohl erstrebenswerte sozialistische Werte des Miteinanders. Hier aber verläuft das Leben abgeschottet und unter den kompletten Versorgungsbedingungen der Hilfsorganisationen. Es gibt weder Produktion noch Produktionsmittel, die Klassenfrage scheint nicht zu existieren. Wie sieht das aber aus, wenn die Unabhängigkeit erlangt wurde, die Verteilung der Güter aus eigener Produktion erfolgen muss, wenn das Leistungsprinzip gilt? Wenn alle Bedingungen herrschen, die das kollektive Leben auf die Probe stellen werden? Hält das Erreichte in den Beziehungen der Menschen in der jetzigen Form der kollektiven sozialen Gemeinschaft, dem stand? Welcher Weg wird dann eingeschlagen? Hochinteressante, spannende Themen und Fragen, die wir aber leider nicht vertiefen konnten.

Am nächsten Tag, fahren wir durch die Wüste. Erstmals sehen wir die Weite der Wüste, unzählige Kilometer Sand bis zum Horizont. Wir sehen Kamele und sehr schöne Monumente auf der einzig befestigten Straße durch das Camp, auch sehr schöne Häuser, mit schönen Fassaden. An jedem Kreisverkehr Monumente, ineinander verschlungene Hände, mit einer Friedenstaube, z.B.

Menschen stehen am Straßenrand und warten auf Mitfahrgelegenheiten, öffentlichen Nahverkehr gibt es nicht, aber viele private Autos. Große Tanklaster transportieren Wasser. Es gibt auffällig viele Schrottplätze und Autofriedhöfe, mit hoch aufgetürmten Schrottautos. Überall liegen Massen von Autoreifen umher und dienen auch als Begrenzungen. Im Gegensatz zu den Gemeinden, ist in der Wüste jede Menge Müll zu sehen. Mülltüten, Plastik aller Art, wurden an den Rand der Wüste geweht oder haben sich in den wenigen verdorrten Sträuchern verfangen. Ein etwas bizarres Bild.

Wir besuchen das Museum des Nationalen Widerstandes. Durch die Dokumente, Landkarten und Berichte bekamen wir eine genauere Vorstellung, wie das ursprünglich vom saharauischen Volk besiedelte Gebiet kolonialisiert wurde, lange Zeit durch Spanien, dann unter Marokko und Mauretanien aufgeteilt wurde. Mauretanien zog sich auch wegen des bewaffneten Widerstands der Sahrauris zurück, jedoch marschierte Marokko in das Gebiet ein und hält es seitdem besetzt. Selbst der Internationale Gerichtshof bestätigte 1975 in seinem Westsahara-Gutachten das Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung, auch unabhängig von Marokko (Rn. 70). Die von Marokko angeführten historischen Verbindungen zu Westsahara seien dem Selbstbestimmungsrecht untergeordnet. Einige Gebiete östlich der von Marokko errichteten 2700m KM langen Sperrmauer sind in der Hand der Polisario (die „befreiten Gebiete“), aber so stark vermint und durch Attacken aus Marokko bedroht, dass dort keine Zivilbevölkerung lebt.

Im Museum werden die Begründer der Polisario geehrt und deren Leben dokumentiert. Es sind die Geschichte und die Reliquien des bewaffneten Widerstandes dargestellt. Die Absender der erbeuteten Waffen aus dem Verteidigungskampf der Polisario, die Panzer, Raketen und anderes sind deutlich gekennzeichnet und somit erkennbar: USA, GB, Frankreich, Russland, Deutschland, sogar offiziell die NATO. Wer hätte das gedacht!

Im Anschluss besuchen wir die Gesellschaft zum Kampf gegen Minen. Wir hatten ja schon erfahren, dass die 2700 Km lange Grenze mit Millionen von Landminen bestückt wurden. Wir erfahren, welches Leid durch die Minen auch unter der Zivilbevölkerung verursacht wurde und wird. Und über neue Herausforderungen im Kampf gegen Drohnen. Die Bemühungen Öffentlichkeit herzustellen und zu informieren ist beschwerlich.

Am letzten Tag führt Chaba uns in die Projekte der Nationalen Vereinigung der Saharauischen Frauen, deren Präsidentin sie ist.

Bereits 1974 gründete sich die Organisation als Fundament für die saharauische Frauenbewegung und als Frauenflügel der Frente POLISARIO die UNMS (Unión Nacional de Mujeres Saharauis). Ihre Mitglieder sind saharauische Frauen aus den besetzten Gebieten, den Flüchtlingscamps, den befreiten Gebieten und der kleinen saharauischen Gruppen in Deutschland, Spanien, Mauretanien und Frankreich. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich die Situation der saharauischen Frauen spürbar verbessert hat.

Sie arbeiten mit und für die Frauen im Kampf um ihre Unabhängigkeit, Gleichberechtigung und für das Selbstbestimmungsrecht. Wir sehen Häuser, die Begegnungsstätten sind, die den politischen und sozialen Zusammenhalt, die Unterstützung, das Lernen und Arbeiten, die Gemeinschaft zwischen Alt und Jung leben und organisieren.

Ein Haus ist gerade renoviert durch die Finanzierung einer französischen NGO und strahlt in leuchtenden Farben, mit einer komplett eingerichteten neuen Küche, in der gemeinsam gekocht und gegessen wird. In einem Raum stehen gespendete Computer, in einem anderen Raum eine Tafel, an der die Sprache gelehrt wird. Bildungsarbeit für die Frauen ist hier eines der wichtigen Themen. Im März 2020, also zu Beginn der Corona-Pandemie haben saharauische Frauen eine „Genderschule“ gegründet. Diese findet ausschließlich online statt. Dadurch kann Teilnehmerinnen der Austausch und der Zugang aus der ganzen Welt ermöglicht werden. Referentinnen sprechen beispielsweise über Gleichberechtigung oder über die Geschichte des Feminismus. Das andere Haus ist sehr renovierungsbedürftig, es regnet durch das kaputte Dach, die Küche ist beschädigt und kaum nutzbar. Es gibt die Bitte um Unterstützung bei der Renovierung der Begegnungsstätte. In jedem Haus gibt es Räume für gemeinsames Kochen, für Kinderbetreuung und Lernhilfen für Kinder. In einem weiteren Raum sitzen Frauen und arbeiten an einer Nähmaschine, in einem anderen fertigen alte Frauen Kunsthandwerk zum Verkauf. Auch hier wird das Leben kollektiv organisiert und gelebt. Wir sehen die gemalten Wünsche der Kinder, die an die Wand gehängt wurden. Das sind ein Regenbogen über grünen Bergen, ein Haus, mit einem Laubbaum davor, Früchte wie Ananas, Erdbeeren und Kirschen, ein Fußballfeld auf grünem Rasen und eine befreite Grenze.

Der Höhepunkt im Projekt ist ein Empfang der Frauen für uns am nächsten Tag. Wir werden im Zentrum der Organisation mit begeisterter Musik und Gesang von den Frauen der Organisation empfangen, es werden Kamelmilch und Kamelfleisch angeboten, Süßes, Datteln und Brot.

Wir berichten gegenseitig von unseren Organisationen, z.B. von der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen (mit Flyern in spanischer Sprache) und dem Frauenpolitischen Ratschlag. Wir verlesen die Grußworte aus Deutschland. Zwischenapplaus bekam die Aussage von Friedrich Engels, dass ein Land, das ein anderes unterdrückt nicht frei sein kann. Ebenfalls gibt es Applaus als die Stärke im gemeinsamen Kampf mit den Arbeitern und Unterdrückten der Welt, auch denen in den unterdrückenden Ländern, betont wird.

Wir haben in den wenigen Tagen viel erfahren und erlebt über dieses bemerkenswerte Volk mit seinen bemerkenswerten Menschen, über ihr Leben in einer besonderen Situation und ihren unerschütterlichen Kampf um ihre Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Es gibt noch so vieles zu berichten. z.B. über die herzliche Aufnahme in unsere freundliche Gastfamilie, über das Zusammenleben in Familienverbänden. Über vieles, was wir gesehen haben und noch weitererzählen und diskutieren möchten.

Vieles ist zu diskutieren, wie können wir die völkerrechtswidrige Besatzungspolitik Marokkos, die Rolle, die die imperialistischen Mächte, auch Deutschland, spielen öffentlich machen, wie den Kampf des saharauischen Volkes in die Welt tragen und unterstützen? Was können wir lernen, von der kollektiven Lebensweise? Wer mag, wen es interessiert mehr zu erfahren, kann das in Wort und Bild in einem PowerPoint Vortrag erfahren, den wir organisieren werden.

In einem Interview im September 2023 sagt Chaia Seini.

Wir suchen die internationalistische Zusammenarbeit mit Organisationen, die wirklich kommunistisch und sozialistisch sind. … Deshalb haben wir den Kontakt zur ICOR und zur United Front aufgenommen und ich bin davon überzeugt, dass dies eine wirklich revolutionäre internationalistische Kraft ist.“

 

 

 

Besuch im Flüchtlingslager in der Westsahara