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Bericht von der 2. Weltfrauenkonferenz Nepal 2016

von den Korrespondentinnen an und von ver.di –

Link:

https://www.verdi.de/themen/internationales/++co++a12d72ec-e78a-11e5-aff6-5254008a33df

Der 1. Tag: Es gibt noch viel zu tun resized_Solidarität-Rana-Plaza-3

Die 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Nepal Kathmandu hat am Sonntag mit einer bunten, eindrucksvollen internationalen Demonstration begonnen. Und mit einem ersten Erfolg. Weil die Frauen, die aus Syrien anreisen wollten, wegen des Krieges dort keine Visa beantragen konnten und ihre Einreise deshalb ungewiss war, haben die Organisatorinnen der Weltfrauenkonferenz den nepalesischen Außenminister mit einbezogen. Mit dem Ergebnis: Die Syrerinnen konnten auch ohne Visa einreisen. Und auch im Fall einer Delegierten aus Deutschland, die in Afghanistan geboren wurde und wegen eines angeblich unleserlichen Passes zurück nach Dubai geflogen wurde, intervenierten die Kongressfrauen erfolgreich. Auch sie ist inzwischen in Kathmandu angekommen unter den knapp 3.000 Frauen aus aller Welt.

Die Frauen aus Afrika beeindruckten, weil sie die ganze Demo, zwei Stunden lang durchtanzten. Auf der offiziellen feierlichen Eröffnung sangen und tanzten tausende Frauen, einige berichteten über ihre Kämpfe, so Frauen aus Burkina Faso und aus Pakistan. Die einen kämpfen gegen Umweltzerstörungen, die anderen gegen sexualisierte Gewalt. Hier in Kathmandu wollen sie sich mit den anderen Frauen beraten und voneinander lernen.

Die Sprecherin des nepalesischen Parlaments begrüßte die Weltfrauen aus 40 Ländern und vier Kontinenten. Sie betonte, in Nepal stehe die Gleichberechtigung auf dem Papier. Zur Durchsetzung müsse aber noch viel getan werden!

Grüße vom Dach der Welt – Nina aus Kathmandu!

Der 2. Tag: Frauen der Welt, vereint Euch

Über 500 Frauen haben heute an den zehn verschiedenen Workshops des zweiten Kongresstages teilgenommen. Wir haben im Workshop „Working Woman …“ mitgemacht. Gemeinsam mit Frauen aus Ägypten, den Niederlanden, Namibia, Polen, der Schweiz, Marokko, Bangladesch, Deutschland – und Nepal natürlich! Die Berichte aus den verschiedenen Ländern machen immer wieder eines deutlich: Die Situation von uns Frauen erscheint auf den ersten Blick so anders und ist sich bei näherer Betrachtung doch so ähnlich. Und vor allem: Die Ursachen für die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in der Arbeitswelt haben die gleiche Wurzel.

Wir erfuhren von der Verwaltungsangestellten aus Frankreich, dass Mobbing gegenüber Frauen nicht selten ist; in Namibia gibt es viele Bergarbeiterinnen, die bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft sofort entlassen werden; die nepalesischen Frauen arbeiten oft mit schwerem Gerät auf dem Land – sie müssen 2 Wochen nach der Geburt wieder arbeiten; in Bangladesch geht der Kampf um den Mindestlohn in eine neue Runde; viele Frauen mahnten an, dass auch eine Bundeskanzlerin kein Garant für Gleichberechtigung ist. Die nepalesischen Frauen brachten es gut auf den Punkt: „Zwar steht die Gleichberechtigung im Gesetz, aber für die Umsetzung müssen wir alle noch kämpfen.“

Am Schluss des ersten Arbeitstages gab es eine kleine feierliche Zeremonie: Wir, die ver.di-Frauen, überreichten Joly Talukder, der Vorsitzenden der Textilarbeiterinnen-Gewerkschaft in Bangladesch, die zuletzt eingegangen 1.911€ Spenden für das Projekt „Sponsoring von Organizerinnen für die Gewerkschaft GWTUC“. Joly Talukder sagte: „Danke an die Frauen von ver.di. Wir sind wirklich eine feste Einheit geworden!“

Darum geht es, dass sich die Frauen dieser Welt vereinen.

Viele Grüße vom Dach der Welt!

Der 3. Tag: Die Lage der Arbeiterinnen und Angestellten

In allen Workshops wird intensiv über die zentralen Fragen der Frauen der Welt diskutiert und beraten. Wir waren heute im Workshop zur Lage und dem Kampf der Arbeiterinnen und Angestellten. Es ging vor allem darum, wie wirksam Frauen gegen Ausbeutung, Armut und Arbeitslosigkeit kämpfen. Frauen vom Streikkomitee aus Griechenland berichteten, dass sie im Streik 480 Familien versorgten, die keinen Lohn mehr bekamen. Aus Frankreich berichteten Frauen von großen Demonstrationen, als die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte, denn viele Fabriken in Bangladesch haben ihren Sitz in Frankreich. Der Bürgermeister einer Kommune nahe Paris sei dadurch dazu bewegt wurden, eine Protestnote an das Arbeitsministerium zu senden.

In Ägypten arbeiten 49 % der Frauen, davon werden 25 % aber nicht als Arbeitskräfte anerkannt und kaum bezahlt. Einige Arbeiterinnen, vor allem als Hausangestellte, bekommen gar keinen Lohn. Die Delegierte aus Ägypten sagte, „niemals werdet Ihr in Ägypten eine Richterin sehen“, solche Berufe bleiben Frauen einfach verwehrt. Die Situation für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sei in Ägypten sehr schwierig, 2.000 Aktivist/innen säßen aufgrund ihrer Aktivitäten im Gefängnis. Für ihre Freilassung wurde eine Resolution verabschiedet.

Im Workshop wurde auch darüber diskutiert, dass Beschäftigte und Angestellte Verantwortung für die Rettung der Umwelt übernehmen müssen. Das war für viele insofern etwas Neues, da man diese Aufgabe bisher nur der Umweltbewegung zugeschrieben hat. Aber es ist mehr als einleuchtend. Denn was hilft uns der beste Kampf um höhere Löhne, wenn uns die Luft zum Atmen genommen wird?

Die wichtigsten Punkte wurden in insgesamt 6 Resolutionen festgehalten und beschlossen. Nun sind wir sehr gespannt auf die morgen startende Generalversammlung, wo auch diese Resolutionen Thema sein werden.

Namaste vom Dach der Welt!

Der 4. Tag: Die Last der Nepalesinnen

Es ist sehr beeindruckend, wie die Menschen hier das tägliche Leben, (Über)leben und Arbeiten nach dem Erdbeben bewältigen. Während uns im Verkehr der Atem stockt, sagt der Taxifahrer, das sei harmlos. Vor allem durch die Blockade durch die indische Regierung gibt es immer noch nicht genug Benzin und Öl. Mehrmals täglich fällt der Strom aus und die Notbeleuchtung geht über Generatoren an. In den Restaurants, Geschäften, Häusern und auf der Straße geht das bunte Treiben weiter. Wir wohnen im Stadtteil Thamel (sehr touristisch!). In den vielen schmalen Gassen gibt es zahlreiche kleine Läden mit Kunsthandwerk, bunten Stoffen und Kleidern, Schals aus Kaschmir, umgerechnet oft nur für ein paar Euros. Vereinzelt sehen wir Lücken zwischen den Häusern, dort standen vor dem Erdbeben vor einem Jahr noch Häuser. An einigen Ecken wird wieder neu gebaut. Vor allem die Frauen haben Großartiges geleistet, um den Schutt wegzuschaffen.

Dazu stehen im krassen Gegensatz die Rechte der Frauen in Nepal. Oft sind die Betriebe im Familienbesitz, und die Mehrheit der nepalesischen Frauen arbeitet unentgeltlich. Die Frauen säen, ernten, und der Mann bekommt das Geld vom Verkauf und gibt es wieder aus. Die Masse der Frauen hat kein Eigentum und kein Geld. Aber die gesamte Last der Familienarbeit und das Organisieren des Lebens lastet auf dem Rücken der Frauen. Da bekommt die Balance von Arbeit und Familie eine ganz andere Bedeutung.

Schola aus Nepal berichtete uns von einer Fabrik, die Plastik produziert, und Frauen nicht den Mindestlohn von 6.100 Rupien (58 Euro) im Monat zahlt, sondern sie mit 3.000 Rupien abspeist. Das sind nicht mal 30 Euro. Oder ein Fabrikbesitzer, der gar keine Frauen einstellt, weil der Betrieb dann angeblich nicht mehr zu führen sei. Obwohl in der neuen Verfassung 10 Prozent Frauenanteil in allen Unternehmen festgelegt sind.

Neben der Generalversammlung, die heute begonnen hat und an der Nina als eine der deutschen Delegierten teilnimmt, gibt es viel Kultur, Gesang, Gespräche und die Möglichkeit, einen Ausflug auf den Affenberg zu machen, mit wunderschönem Blick über die Stadt. Für uns ist jeder Gang und jede Fahrt durch die Stadt ein Erlebnis. Mit dem Auto wären wir heillos überfordert, uns im Linksverkehr zwischen Autos, Fahrrädern, Motorrädern und den vielen Menschen durchzuschlängeln.

Namaste vom Dach der Welt von den ver.di-Frauen

Der 5. Tag: Junge Frauen wehren sich

Heute haben die jungen Frauen und Mädchen in der Generalversammlung das Podium übernommen. Und die haben deutlich gemacht, dass Mädchen meist weniger wertgeschätzt werden als Jungen, Mädchen und jungen Frauen in vielen Ländern immer noch der Zugang zu Bildung verwehrt wird, und ihre Löhne in der Arbeitswelt generell niedriger sind. Besonders ergreifend waren die Berichte von Cansu und Balkis. Cansu hat das Massaker der Islamischen Terrormiliz IS in Suruç in der Türkei überlebt, bei dem 33 ihrer Freundinnen und Freunde starben. Balkis berichtete vom Völkermord an dem jesidischen Volk in Schengal im Nordirak im August 2014. Tausende Mädchen und Frauen wurden damals verschleppt, versklavt und ermordet. Noch heute sind über 3.000 jesidische Frauen und Mädchen in der Gewalt der IS-Milizen.

Eine junge Frau aus den Niederlanden sagte: „Die Medien reden uns ein, das Aussehen sei wichtiger als das Gehirn.“ Und fuhr fort, dass in den Niederlanden seit der Legalisierung der Prostitution der Sexhandel mit jungen Frauen boome.

Gewalt hat viele Gesichter, der Widerstand auch. Wir nehmen die Frage mit nach Hause, wie wir gerade auch junge Frauen organisieren können. Junge Frauen und Mädchen in der Welt verbindet der Traum von einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Das wurde auch in den Songs beim Songcontest klar. „Women of the world climbing the highest mountains!“ Alle Beiträge wurden für die Konferenz komponiert. Drei Songs kamen aus Nepal, zwei aus Deutschland und ein Song aus Bangladesch. Wer gewonnen hat? Das erfahrt ihr in den nächsten Tagen hier und auf der Website der Weltfrauenkonferenz.

Auf der Generalversammlung wurde darüber hinaus in vielen Reden immer wieder auch unsere Verantwortung für die Umwelt betont. So bedeuten die Auswirkungen des Klimawandels für die Frauen in Mali bereits heute, dass sie zig Kilometer weiter auf die Suche nach Wasser gehen müssen.

Wir grüßen euch vom Dach der Welt!

Namaste aus Kathmandu!

Der Abschlusstag: Lasst uns unsere Kämpfe koordinieren

Heute war eine Delegation der Weltfrauenkonferenz bei der Präsidentin des nepalesischen Parlaments eingeladen. Und die unterschrieb ohne zu zögern die Abschlussresolution. In der heißt es: „Wir sind auf dem Weg der internationalen Bewegung von Weltfrauen auf Grundlage unserer Prinzipien: Wir sind überparteilich! Wir arbeiten und entscheiden demokratisch! Wir sind unabhängig, aber grenzen uns nicht voneinander ab. Wir stärken unsere eigene finanzielle Basis. Wir lernen, eine internationalistische Denkweise in unserer Arbeit zu verwirklichen! Wir praktizieren eine demokratische Streitkultur. Der wichtigste Maßstab unserer Arbeit ist es, ob es gelingt, die Frauenbewegung nachhaltig zu stärken! … Lasst uns unsere Kämpfe koordinieren! In jedem harten Kampf müssen sich die Frauen sicher sein, dass sie unterstützt werden und dass ihr Kampf auf der ganzen Welt bekannt gemacht wird!“

Die Weltfrauenkonferenz endet nicht mit schönen Worten, sondern mit wichtigen Beschlüssen und Schlussfolgerungen für alle Frauen der Welt. Wir erheben unsere Stimmen vom höchsten Berg der Welt und sie werden gehört in den Tälern Südamerikas, in den Weiten Afrikas und an vielen anderen Orten. Insgesamt waren 40 Länder mit 74 Delegierten und vielen weiteren Teilnehmerinnen hier vertreten, insgesamt sind 61 Länder aktiv im Weltfrauenprozess. Frauen aus 14 Ländern konnten aus verschiedensten Gründen nicht kommen. Aber Vertreterinnen von 80 verschiedenen Frauenorganisationen, eine Vertreterin aus Frankreich vom Weltfrauenmarsch und der Rechtsanwältinnen ohne Grenzen, Frauen aus der christlichen bis zur revolutionären Bewegung und Aktivistinnen aus den vier kurdischen Regionen und viele andere Frauen haben teilgenommen, haben zukunftsweisende Beschlüsse gefasst, Resolutionen verfasst und an der Abschlussresolution mitgearbeitet.

Das hat auch für uns Gewerkschaftsfrauen eine wichtige Bedeutung. Wir sind wichtiger Bestandteil im Weltfrauenprozess mit all unseren Erfahrungen und unserem Know-how. Wir bringen neue Erfahrungen und neue Verbindungen zu vielen Frauen mit nach Deutschland zurück. Und wir sind sehr gespannt auf die Meinung unserer Kolleginnen und Kollegen.

Ein letztes Namaste vom Dach der Welt!

 

Bericht von der 2. Weltfrauenkonferenz Nepal 2016 – ver.di