1. März 2015

Eine  mutige Kämpferin und Freundin ist nicht mehr unter unsEmmely

Barbare Emme ist überraschend und unerwartet mit nur 57 Jahren an Herzversagen gestorben. Bundesweit bekannt ist sie unter „Emmely“, Kassiererin von Kaiser´s Tengelmann, die erfolgreich gegen ihre ungerechtfertigte Kündigung gekämpft hat. Sie soll Pfandbons im Wert von 1,30 € unrechtmäßig eingelöst haben.
Der wahre Grund war der vorangegangene Streik um bessere Löhne und Bezahlung nach Tarif im Einzelhandel von Oktober 2008 – Juni 2009, den sie als aktive Gewerkschafterin von Anfang bis Ende durchgezogen hat.
Für Emmely  war es undenkbar, die Vorwürfe hinzunehmen. Die ersten beiden Prozesse hat Emmely verloren, aber Emmely gab nicht auf. Ihre Hartnäckigkeit und Standfestigkeit haben uns alle sehr beeindruckt.
Es ging ihr nicht nur um ihre Person,  sondern um die Rechte aller Arbeiterinnen. Daher war ihr die Gewerkschaftsarbeit  ein großes Anliegen.
Nach zwei Jahren hat  sie vor dem Bundesarbeitsgericht gewonnen! Das war ein Riesenerfolg! Er setzte  ein Zeichen gegen Willkür von Unternehmen und gegen Bagatell-Kündigungen, eine beliebte Methode, kritische Kolleg/innen los zu werden.
Garant für den Erfolg von Emmely war die bundesweite Solidarität, mit organisiert von einem Solidaritätskomitee. Emmely hat der Kampf viel Kraft gekostet, die Solidarität hat ihr immer wieder neu Kraft gegeben.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir Courage-Frauen aus Berlin sie das erste Mal zu Hause besuchten, um mit ihr ein Interview für die Courage-Zeitung zu machen. Wir wurden sehr nett empfangen und sie zeigte uns stolz ihre vielen Ordner, wo sie alle Zeitungsartikel, Solidaritätsschreiben und den Briefwechsel zwischen Anwalt und Kaiser`s aufbewahrte. Sie war eine gefragte Frau,  uns beeindruckte ihre Natürlichkeit und Bescheidenheit. Zu der Zeit sah sie sich selber noch nicht  als politische Frau, aber Ungerechtigkeiten konnte sie nicht zulassen.
Mit der Zeit entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen uns.
Trotz langer Schichten, ihrer vielen Netzwerksverbindungen und anderer Verpflichtungen nahm sie an den letzten drei Frauenpolitischen Ratschlägen teil, wo sie anderen Mut machte sich zu wehren. Mit Unterstützung des Komitees “Solidarität mit Emmely“ wurde das  Buch „gestreikt-gekündigt-gekämpft-gewonnen“ herausgegeben und ihre Kampferfahrungen allen zugänglich gemacht.
Schreiben war eines ihrer  Hobbys. Für später plante sie ein eigenes Buch.
Ihr Kampf war nicht nur hier bekannt, sondern auch international. Sie war mit in Venezuela, der 1. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen. Sie konnte kein Spanisch, aber für Emmely war es kein Problem sich zu verständigen und neue Freundinnen zu finden. Für sie stand fest, dass sie 2015 zur zweiten Weltfrauenkonferenz nach Nepal fahren würde, diesmal als  Delegierte – dafür wollte sie sich  2015 bewerben.
Neben ihrer politischen Arbeit war ihr ihre Familie sehr wichtig.
Sie liebte die Natur und wann immer sie Zeit fand, war sie auf dem Campingplatz und mit ihrem Boot auf den Berliner Seen unterwegs. Dort tankte sie Energie. Ausgelasse feierten wir auf den Inselfesten auf ihrem Campingplatz am Seddiner See mit ihr gemeinsam.
Mit ihrem erreichten Erfolg gab sie sich nicht zufrieden, denn der Kampf um die Arbeitsrechte war nicht zu Ende. Sie nutzte regelmäßig  Bildungsurlaube, den GewerkschafterInnen in Frankreich organisierten. Das gleiche Anliegen, gemeinsam gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen, verband sie. Um sich besser mit den KollegInnen zu verständigen lernte sie Französisch.
Für ihre Kandidatur als  Betriebsrätin 2014 legte man ihr viele Steine in den Weg. Doch Emmely blieb hartnäckig, sammelte in kurzer Zeit die vorgeschriebenen Unterstützungsunterschriften und wurde schließlich erfolgreich in den Betriebsrat gewählt.

Emmely, wir vermissen dich, aber wir wollen mit dem schließen, was du uns auf dem 10. Frauenpolitischen Ratschlag 2012 in deinem Redebeitrag weitergegeben hast:

Ich möchte noch mal zum Ausdruck bringen, dass Kämpfe jeglicher Art ohne aktive Solidarität fast unmöglich sind. Deshalb ist es wichtig sich Menschen zu suchen und zu finden, die Soli-Kreise aufbauen und dann aktiv begleiten, Solidarität auch über Ländergrenzen hinaus aufzubauen, erweitern und  pflegen. Ohne sie geht es nicht.
Ich möchte mit meinen Ausführungen Mut machen sich zu trauen, auch seine Kämpfe in der Öffentlichkeit präsent zu machen, um Missstände einzugrenzen und für bessere Lebensbedingungen einzustehen, damit sich auch andere trauen. Wir sind alle mündige Persönlichkeiten und sollten auch weiterhin den aufrechten Gang gehen können und  mit klarem Blick unsere Welt sehen und wahrnehmen. Mein Spruch, der mir in der Kündigungszeit geholfen hat, lautet auch heute noch: Wer nicht kämpft hat schon verloren, wer kämpft kann gewinnen. Jeder kann das – ihr auch.“

Diese Worte sind uns Verpflichtung – Emmely lebt in unseren Herzen und in unserem Kampf weiter.

Zwei Courage-Frauen aus Berlin und Kämpferischer Frauenrat

Download Erklärung zu Emmely:
Nachruf-Emmely

Erklärung des Solidaritätskommittees:

Emmely ist tot.

Barbara Emme, auch bekannt als Emmely, ist in der Nacht von Montag auf Dienstag überraschend an Herzversagen gestorben, sie wurde 57 Jahre alt.  Sie hat 1977 begonnen, bei der HO (Handelsorganisation) zu arbeiten, und war damit 38 Jahre im selben Arbeitsverhältnis im Einzelhandel tätig.

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie durch den Kampf gegen ihre Kündigung.  Die Kaiser’s-Tengelmann AG hatte ihr im Februar 2008 kurz nach dem Streik im Einzelhandel gekündigt, Emmely hatte für ihre Gewerkschaft ver.di die Streikliste in ihrer Filiale in Berlin-Hohenschönhausen geführt.  Die Kaiser’s-Tengelmann AG kündigte , Emmely wegen des Verdachts, sie habe Pfandbons zu insgesamt 1,30 Euro, die ein Kunde im Laden verloren hatte, zu Unrecht eingelöst.

Ihre Gewerkschaft hatte ihr immer wieder geraten, eine Abfindung zu akzeptieren, aber Emmely ging trotz zwei verlorener Verfahrenbeim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Berlin vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.  Alle drei Gerichte gingen davon aus, dass die Emmely die Pfandbons zu Unrecht eingelöst hatte. Emmely hat diesen Vorwurf immer abgestritten.  Trotzdem gab das Bundesarbeitsgericht im Juni 2010 der Klage Emmelys gegen die Kündigung statt, indem es die Kündigung als unverhältnismäßig einstufte und Emmely erhielt ihren Arbeitsplatz zurück.

Für Emmely bedeutete der Kampf gegen die Kündigung einerseits viel Unterstützung durch die Öffentlichkeit, neue Bekanntschaften in ganz Deutschland und viele neue Erfahrungen, aber auch eine hohe nervliche Belastung: ständig wollte die Presse mit ihr sprechen, Juristen der Arbeitgeberseite bezeichneten sie als „notorische Lügnerin“, sie musste in eine kleinere Wohnung ziehen und der Ausgang des Verfahrens war ungewiss.  Ihre Berühmtheit war ein hohes Risiko: Wer will schon eine engagierte Gewerkschafterin einstellen, die ihre Renitenz sogar in der Show von Johannes B.  Kerner bekräftigt?

Es war beeindruckend, mit welcher Energie und welchem Trotz, die auch aus Stolz auf die von ihr geleistete Arbeit rührten, sichEmmely gegen die Anschuldigungen gegen sie und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gewehrt hat.  Noch am selben Tag, an dem Sie ihren zweiten Prozess verloren hatte und unter Tränen zur Presse sprach, fuhr sie mit ihrem Anwalt, Benno Hopmann, nach Hamburg,

um abends im Fernsehen aufzutreten.  Niemand von den erfahrenen AktivistInnen, die sie unterstützt haben, hätte dazu den Mut aufgebracht.  Wir haben ihr sogar abgeraten, doch Emmely hatte keine Scheu davor.  „Jetzt erst recht.“ – dies war die Haltung, die sie ausgestrahlt hat.

Nach ihrem Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht erhielt Emmely erst einmal auch den Urlaub und den Lohn für mehr als 2 Jahre und konnte so an der Weltfrauenkonferenz in Venezuela im Jahr 2010 teilnehmen.  An ihrem alten neuen Arbeitsplatz erhielt sie weiterhin viel Zuspruch von KundInnen und auch von MitarbeiterInnen, oft erhielt sie kleine Geschenke oder wurde nach Autogrammen gefragt.  Sie blieb weiterhin politisch engagiert, hat regelmäßig ihren Bildungsurlaub bei einer von GewerkschafterInnen organisierten Reise nach Frankreich verbracht und lernte dort viele AktivistInnen kennen, die wie sie gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung kämpften.  Im Einzelhandelsstreik  2013 hat Emmely sich an Aktionen beteiligt, bei denen Berliner Beschäftigte KollegInnen in Brandenburg mit der Blockade einer Supermarktfiliale unterstützt haben.

Bei den Betriebsratswahlen 2014 wurde sie bei Kaisers in den Betriebsrat gewählt.  Wenige Monate später hat Kaisers Tengelmann das Aus für die Lebensmittelkette verkündet, die nun zwischen Edeka und Rewe aufgeteilt werden wird.  Emmely klagte häufig über lange zehnstündige Schichten, die sie sehr erschöpft haben. Zuletzt hat Emmely sich in einem Bündnis von GewerkschafterInnen gegen das Tarifeinheitsgesetz engagiert.  Ihr Bildungsurlaub in Frankreich im April dieses Jahres wurde nach langem Hin und Hermit dem Arbeitgeber genehmigt.  Sie kann ihn nicht mehr antreten. Emmely hinterläßt drei Töchter.  Wir werden Sie nicht vergessen.

An Emmelys Fall wurden Bagatell- und Verdachtskündigungen breit diskutiert und kritisiert.  In mehreren Städten der BRD fanden Veranstaltungen statt.  Zahlreiche vergleichbare Fälle wurden in den Medien aufgegriffen.  Emmelys Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht kam für alle erfahrenen Beobachter völlig überraschend.  Unmittelbar danach gewannen mehrere gekündigte ArbeiterInnen ihre Bagatellkündigungen vor Arbeitsgerichten, die zuvor immer zu Gunsten der Arbeitgeber geurteilt hatten.

ArbeitsrechtlerInnen beobachteten danach einen Rückgang von Bagatellkündigungen, aber auch eine Anpassung der Arbeitgeber: Die Zunahme von Abmahnungen auf Vorrat und die Hortung von abgelaufenen Abmahnungen in Parallelakten, um ArbeiterInnen weiterhin prozessfest kündigen zu können.

Nach unserem gegenwärtigen Wissenstand möchte die Familie eine Beerdigung im kleinen Kreis ohne öffentliche Aufmerksamkeit.

Aus dem Komitee „Solidarität mit Emmely“: Jörg, Willi, Gregor

07.04.2015

Für diejenigen, die Emmely in ihrem politischen Kampf unterstützt und kennengelernt haben, wollen wir eine Möglichkeit anbieten, sich gemeinsam an Emmely zu erinnern.  Dazu treffen wir uns am Sonntag, den 19.04.2015 von 12 bis 17 Uhr in der Aula der Schulefür Erwachsenenbildung (SFE) in Berlin-Kreuzberg.

Bitte schreibt uns, wenn Ihr kommen wollt, damit wir planen können.

Es soll die Möglichkeit geben, Über einen Beamer Fotos und Filmchen zu zeigen, die mit Emmely und/oder ihrem Kampf zu tun haben.  Wenn Ihr dazu Material beitragen wollt, bringt es bitte auf einem USB-Stick mit.

Wir werden für Getränke sorgen, wenn ihr uns mit Essen und Getränken unterstützt, freuen wir uns.  Bitte teilt uns alle Arten von Beiträgen vorher mit, damit wir ein bisschen koordinieren können.

Solltet ihr von außerhalb kommen und Schlafplätze brauchen, dann gebt uns Bescheid, so dass wir versuchen können, das zu organisieren.

Adresse/Anreise: Schule für Erwachsenenbildung e.V. (SFE), Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin. U6, U7, Bus M19, 140: Mehringdamm.  Die SFE befindet sich im Meringhof, der von der Gneisenaustr. aus durch eine große Durchfahrt zu erreichen ist, im Hinterhof geht’s noch mal links durch eine Durchfahrt und dann rechts an der Kneipe vorbei in ein Treppenhaus.  Wir werden den Weg im Mehringhof beschildern.

Für nicht-BerlinerInnen: Es gibt keine Parkmöglichkeiten direkt im Mehringhof!  Parkmöglichkeiten gibt es auf den Mittelstreifen von Gneisenau-, Yorckstrasse und Mehringdamm sowie in der

Baruther Strassse. Für das Komitee „Solidarität für Emmely“

Gregor, Jörg, Willi

Wir trauern um Emmely