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Interview mit einer Vertreterin der „Plattform für in Gefangenschaft gehaltene Frauen“, und Aktivistin der TJA am 11.3.17 am Rande der Internationalen ezidischen Frauenkonferenz in Bielefeld. Geführt von Susanne Bader, Europakoordinatorin. Beide Frauen kennen sich aus  Diyarbakir vom außerordentlichen Frauenkongress der KJA/TJA.

S: hallo, wie schön dich hier zu treffen, gesund und in Freiheit; wie geht es euch? Sind auch die anderen Frauen wohl auf? Ich habe gelesen, was Besime Konca zu ihrer Anhörung durch das Gericht gesagt hat. Bitte grüße sie und die anderen inhaftierten Frauen ganz herzlich.

K: ich freue mich auch sehr, dich zu sehen. Wir erleben Zeiten großer Repressalien, wir freuen uns über eure Solidarität.

S: Es interessiert mich natürlich brennend, wie der Internationale Frauentag verlaufen ist. Ihr habt zu einer Aktionswoche aufgerufen, kannst du mir berichten? Ich würde das gerne auf der Homepage der Weltfrauenkonferenz bekannt machen und auch in anderen Medien?!

K: ja, sehr gerne.

Sie berichtet:

„Wir erleben ein Nato Aufrüstungswettrennen. Wir hatten vom 1.3. – 8.3.17 zu Aktionen aufgerufen, mit einer zentralen Kundgebung und Aktivitäten an verschiedenen Orten  wie z. B. Batman, Van, Sirnak wo Frauen durch bzw. während der Ausgangssperren getötet worden waren, 150 Frauen waren hierbei getötet worden. Unsere Kampagne beinhaltete auch Grußkarten an die gefangenen Frauen zu schicken, es kamen so viele Karten zusammen, dass die Verschickung zusammenbrach. Insgesamt waren Tausende Frauen an den verschiedenen Aktivitäten beteiligt. Die Repressalien waren groß, so wurde den Frauen gedroht, wenn sie teilnehmen, dann werden sie gekündigt! Wir haben schon ca. 40.000 gekündigte Staatsbedienstete.

Der Start unserer Frauentagskampagne war in Diyarbakir, es gab Blumen für die Frauen, über den Kundgebungsplatz flogen Hubschrauber, am Boden waren Panzer und wir waren umzingelt von bewaffneter Polizei in schußsicheren Westen. Während unserer Aktionen mussten wir über 10 km vier verschiedene Polizei Check points passieren, umzingelt von Polizei mit Gewehren, wir waren von Land und der Luft eingeschlossen.

(Sie zeigt Fotos, man sieht schwer bewaffnete und mit schusssicheren Westen ausgerüstete Polizei dicht bei den demonstrierenden Frauen, diese halten Rosen in den Händen.)

Wir hatten keine Genehmigung für unsere Aktivitäten mit der Begründung, dass diese „gegen die Moral“ verstoßen würden. In Diyarbakir haben wir keine Zusage erhalten und ohne Genehmigung die zentrale Kundgebung abgehalten. Hier wurde uns auch gesagt, dass sie es verbieten, weil es Anschläge auf so große Meetings/ Treffen geben werde. Wir leben ja im Ausnahmezustand, es gelten Notstandsgesetze die keine Kundgebungen erlauben. Dieser Zustand gilt für 3 Monate und wird ständig verlängert. Das bedeutet, dass wir sehr eingeschränkte Grundrechte haben. In den anderen Bezirken hat Erdogan ja inzwischen die gewählten Bürgermeister der HDP durch seine Gouverneure der AKP ersetzt.

Am 8. März haben so viele junge Frauen teilgenommen, wie noch nie! Das kommt, weil wir mit einem Angriff auf uns rechnen und die jungen Frauen sind da, um Widerstand zu leisten. Die Frauen organisieren sich, sehen Organisierung als Widerstand, Selbstverteidigung. Die jungen Frauen wenden sich gegen die äußere Einmischung durch die Regierung. Sie stehen für „Frau-Freiheit-Frieden!“

Wir haben die Frauen eingeladen und die Panzer waren schon da. Die Polizei versuchte die Frauen einzuschüchtern und sagten: „wenn ihr da mitmacht, brennen eure Häuser!“ Eine Frau stellte sich dagegen und antwortete: „unsere Häuser wurden schon zerstört, und jetzt sorge ich dafür, dass keine weiteren Häuser zerstört werden!“

S: das sind sehr wichtige Informationen für alle Frauen, vielen Dank! Dein Bericht gibt ein Bild, unter welchen Bedingungen ihr den Frauentag durchgeführt habt! Mit viel Mut!

Auch in Deutschland haben so viele junge Frauen teilgenommen wie noch nie. Auch junge Männer die bewusst Forderungen für Frauenrechte trugen. Und international wurde der Frauentag 2017 mit großen, teils Massendemonstrationen begangen, die Frauen stehen auf gegen die herrschende Politik. Es sind wahrlich bewegte und bewegende Zeiten.

K: Wir wollen das Erdogan Referendum ändern, deshalb haben wir eine NEIN Kampagne am 8. März, auf kurdisch: „Na, Na, Na!“ Das Referendum verleugnet die Rechte der Frauen, das ist ein Gesetz im Referendum. Es gibt Erdogan alle Rechte, Gerichte, Polizei und Militär, die Bürgermeister, der Etat, die Gelder – er kann dann alles allein bestimmen.

Danke für diese wertvollen Informationen und der Konferenz viel Erfolg!

 

Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Konferenz:

http://avrupaforum.org/sie-haben-sich-erhoben-von-claudia-wangerin/

Interview bei der ersten internationalen Konferenz jesidischer Frauen