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An die Weltfrauen!resized_Solidarität Rana Plaza 3

Wir möchten Euch mit dem anhängenden Brief und Bildern über ein eindrucksvolles Projekt berichten, dass von ver.di-Frauen aus Duisburg durchgeführt wird.

Am 24. April 2013 stürzte in der Nähe von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh, eine achtstöckige Textilfabrik ein. Über 1038 Leichen wurden bisher geborgen. Man geht von bis zu 2000 Toten aus. Es ist die größte Katastrophe in der mörderischen Geschichte der Textilindustrie von Bangladesh. In der Woche nach der Katastrophe verging kein Tag ohne erbitterte Streiks und Demonstrationen gegen Regierung und Konzerne. Am 18. Mai hat sich eine Gewerkschaftsgruppe der sechs Textilfabriken aus dem eingestürzten Rana Plaza Fabrikgebäude gegründet. Ihre Vorsitzende ist ein Mädchen, das aus dem Schutt des Gebäudes gerettet wurde. Sie schlossen sich in der kampferprobten Gewerkschaft GWTUC zusammen, dessen Vorsitzende Joly ist.

Damit diese Gewerkschaften aufgebaut werden können, brauchen sie Organizerinnen, die sich daruf konzentrieren können. Das wollten die ver.di-Frauen unterstützen und haben deshalb die Initiative ergriffen für das Projekt „Sponsoring von Organizerinnen“. Dabei geht es uns nicht, wie bei so vielen vorhandenen Hilfsprojekten darum, nur Geld aus dem „reichen“ Deutschland in das „arme“ Bangladesh zu schicken, sondern von den Organizerinnen für eigene gewerkschaftliche Frauenarbeit zu lernen und zu wachsen. Hilfe zur Selbsthilfe.

In einer intensiven Kleinarbeit, Hunderten Gesprächen etc. machten sie es möglich ein Jahresgehalt für eine Gewerkschafts-Organizerin in Bangladesh zu finanzieren.

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Letter to Joly in Bangladesh – English:

Dear Joly

We made it! On the occasion of the World Women’s Day at the 8th of March we transfer the (minimum) annual salary of one organizer – 600 Euros from Duisburg in Germany.

We collected the money over a period of 4 months in approx. 10 meetings and actions donated by approx. 250 individual donors. Some gave bills, some turned our ver.di wheel of fortune and paid 50 Cent for every round. The major part of the money was given by female and male blue and white collar workers in Duisburg. We effectively presented our project named „Joly“ 🙂 by using a 2 meter wide display, a ground paper, educational lectures, a flyer, many many individual talks, at union meetings, in a letter of thanks and impressive images.

The people we met were very impressed and happy to contribute to this project that means help for self help. We linked up with the country and especially with the situation and the struggle of the garment workers that no one can take away from us again. Ten thousands of kilometers apart the workers at KIK and H&M deal with very comparable issues. We also advanced our environmental consciousness. Even though we voted against boycott we stated in our speech on the occasion of March 8: „For us Fair Trade sometimes also means to refuse buying commodities by asking myself if I really need t-shirt number 10 this season. As a customer, do I regard the conditions of production of this t-shirt? (…) More and more commodities (the world economy says ‚growth‘) mean ever faster consumption of resources of raw materials and energy while sustainability would be much better since we don’t know how much Mother Earth is capable to stand.“

This is the reason why we want to support your union and contribute women to get organized – this also means sustainability.

We also contributed to the fact that this topic was a core issue of the Federation of German Trade Unions at this World Women’s Day.

However, after almost one year of preparation and implementation if the project we also have to state that we unfortunately did not only reach open doors within the ranks of our own trade union ver.di. We even had to consider that there is a huge discrepancy between the enthusiasm among the workers and unionists at grass root level and of the trade union leadership. That was not really a practical limitation for us – but it truly was one for the financial support and public advertising of the project!

We are writing many letters to the board in Berlin but didn’t receive a positive answer. We believe that there are reservations against the MLPD behind it because Monika Gärtner-Engel provided impetus, help and contact to us. A ver.di secretary told us that your trade union appears too left radical to him and that this is the reason to reject support at his end. Others simply didn’t pick it up even though everything pointed to it. The only thing we can say here is that it is shameful when unionists predicate solidarity on their party membership. We don’t do this. If Monika Gärtner-Engel draws our attention to your union and helps us to announce it, then we can only say: thank you that there are women like this! In the issue, nothing really happened in favor of victim protection and sustainability. In view of the fire in the garment factory in Dhaka on 6th of March we can only state: on the contrary?!

The project was mainly organized by the two of us. But we found imitators!!! In the district women’s council of ver.di in the district of Emscher-Lippe (City of Gelsenkirchen) and in Saarbrücken. Now we can hand over the baton to them in the first instance. But we will not fully give it out of our hands, of course. And there are many others who are interested. For that it is important to further develop the project. On the occasion of the commemoration anniversary of the Rhana Plaza Catastrophe and even today there re many reports in Germany. We should address different editors and newspapers with a report about the organizers who are now able to start or continue the work assisted with our money. It is important to mention a bank account number for direct transfer.

Dear Joly. We hope to have the opportunity to get to know you personally one day and send you our warmest regards of solidarity from Germany,

Your ver.di women Reingard Kirkhouse and Nina Dusper.

Duisburg, 8th of March 2014

Letter to Joly in Bangladesh – German:

„Liebe Joly!

Wir haben es geschafft! Wir überweisen Euch anlässlich des Weltfrauentages am 8. März 2014 das Jahres(mindest)gehalt für eine Organizerin: 600 Euro aus Duisburg/Deutschland.

Wir haben das Geld in einem Zeitraum von 4 Monaten, auf ca. 10 Veranstaltungen und Aktionen, von ca. 250 Einzelspenderinnen und Spendern gesammelt. Manche spendeten Scheine, manche drehten am 8. März an unserem ver.di-Glücksrad und bezahlten dafür 50 Cent. Das Groß der Summe kommt von Arbeiterinnen und Angestellten in Duisburg. Unser Projekt „Joly“ 🙂 stellten wir wirksam mit einer 2-Meter-Stellwand, Bodenzeitungen, einem Bildungsvortrag, einem Flyer, vielen vielen Gesprächen, auf Gewerkschaftstreffen, einer Dankeskarte und eindrucksvollen Bildern vor.

Die Menschen, die wir trafen, waren sehr beeindruckt und froh zu einem Projekt beitragen zu können, dass Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet. Wir haben einen Bezug zu dem Land und vor allem der Lage und dem Kampf der Textilarbeiterinnen bekommen, den uns keiner mehr nehmen kann. Zehntausende Kilometer entfernt, befassen sich die KIK- und H+M-Beschäftigten mit ganz ähnlichen Fragen. Wir entwickelten auch unser Umweltbewußtsein weiter – auch, wenn wir uns gegen einen Boykott aussprachen, stellten wir in unserer Rede zum 8. März fest: „Fair Trade bedeutet für uns manchmal auch, auf eine Kaufentscheidung zu verzichten, indem ich mich hinterfrage, brauche ich noch das zehnte T-Shirt in dieser Saison. Achte ich als Kundin darauf, unter welchen Bedingungen diese Textilien gefertigt wurden? (…) Immer mehr Waren (die Weltwirtschaft sagt Wachstum) bedeutet noch schnellerer Ressourcen Verbrauch an Rohstoffen und Energie, dabei wäre Nachhaltigkeit viel besser, denn wir wissen nicht wie viel unsere Mutter Erde noch verkraften kann.“

Gerade deshalb wollen wir Eure Gewerkschaft unterstützen und dazu beitragen, die Organisiertheit der Frauen zu stärken – auch das bedeutet Nachhaltigkeit.

Wir haben auch dazu beigetragen, dass dieses Thema auf dem diesjährigen Weltfrauentag im Zentrum des Deutschen Gewerkschaftsbund stand.

Nach fast einem Jahr Vorbereitung und Durchführung des Projekts sind wir auch in unseren eigenen Gewerkschaft ver.di leider nicht nur offene Türen eingerannt. Eine Skepsis ist hier völlig Fehl am Platz und muss überwunden werden.

Schließlich ist doch bis heute nicht wirklich etwas in Sachen Opferschutz und Nachhaltigkeit passiert – angesichts des Brands in der Textilfabrik in Dhaka am 6. März, kann man sogar sagen: im Gegenteil!?

Krokodilstränen über die Opfer gibt es genug. Wir können stolz sein – wie Monika und Du – zu den Frauen zu gehören, die über weltanschauliche Grenzen hinweg zielorientiert arbeiten und damit wirklich etwas verändern an der Lage der Arbeiterinnen!

Das Projekt wurde im Wesentlichen von uns beiden gestemmt, an den Ständen beteiligten sich aber immer auch weitere Kolleginnen v.a. aus den Duisburger Krankenhäusern. Und – wir haben Nachahmer gefunden!!! Ihnen können wir nun erst einmal den Staffelstab übergeben – den wir aber natürlich nicht ganz aus der Hand geben. Und es gibt weitere Interessenten.

Dazu ist es wichtig, dass wir es weiter entwickeln. Zum Trauerjahrestag der Rhana Plaza Katastrophe und auch schon aktuell, gibt es viele Berichte in Deutschland – da sollten wir uns an die verschiedenen Redakteure/Zeitungen wenden, gerne mit einem Bericht über die Organizerin, die mit unserem Geld nun die Arbeit aufnehmen oder fortsetzen kann. Über die Auswirkungen auf die Natur und den Kampf zum Erhalt der Arbeitsplätze und der Umwelt möchten wir noch viel mehr erfahren. Eine Kontonummer ist unbedingt wichtig, an die direkt überwiesen werden kann.

Liebe Joly,

wir hoffen, Dich vielleicht einmal persönlich kennen zu lernen und verbleiben mit den herzlichsten und solidarischsten Grüßen aus Deutschland,

Deine ver.di-Frauen: Reingard Kirkhouse und Nina Dusper.

Duisburg, 8. März 2014“

Answer from Joly (Garment Worker’s Trade Union Centre) – English

Dear Reingard and Nina,bangladesh greetings from the women

At the very outset I would like to express humble gratitude to you on behalf of the trade unionists and garment sector workers of Bangladesh. You have truly done a remarkable job which will not only aid us in materialistic terms but also inspire us for a long time. We recognize the enthusiasm, dedication, and compassion you put in your task and we find it absolutely praiseworthy. Bangladesh being a country having crony capitalism at its apex, the working class people have been oppressed for long. The situation is deteriorating to be worse as let alone fair wages and amenities, the Ready Made Garment (RMG) workers are not even provided safety at their workplaces.

Even there is no remarkable intervention has been taken to ensure safety and provide basic privileges after Rana Plaza and Tazreen Catastrophe. Garment Workers Trade Union Center (GWTUC) has been a pioneer in trade union activism in this sector. The workers here are well aware of the historical responsibility it has towards the working class people. We work to ensure workers‘ rights are met and their voices are heard. We believe, ground level communication with workers is a must for effective activism. Therefore we are active among the working class to make sure their voices are heard and their rights are well amplified. The popularity and reach among the working class indicates the effectiveness and integrity of GWTUC to its stated purpose.

GWTUC is composed of many dedicating activist who are full of enthusiasm, passion, and dedication. They are working for response to their inner call of self-sacrifice for the betterment of the working class people here. Asma Aktar is one of them. She is one of the2 Asma Aktar Organizerin - Bild von WFK member of our central committee. Since 2006 she is working with GWTUC. Now she is working in Madona garment, Gazipur. We  decide to co-opt her as a whole-timer and spend your money for her salary. Here we attach two photographs of her. Next time we send some more, as your requirement.

You will be glad to be informed that we have disseminated information regarding ver.di and your initiative among our members and workers. Your initiative has been strongly appropriated unanimously. The workers and our union members conveyed their heartfelt gratitude and wishes to you. We have also informed them regarding ver.di and your recent initiative where you announced airport strike. I must also state that you indeed have gone through many creative ways for fund raising. Your dedication, compassion, and integrity behind this initiative have been really matchless. We are indebted to you for the generosity. I therefore, on behalf of GWTUC express our heartfelt gratitude to you and state solidarity to your initiatives. We wish success in your future endeavors. I look forward to hear from you.

Joly

www.gwtuc.org

https://www.facebook.com/pages/Garment-Workers-Trade-Union-Centre/412972738801880?ref=hl

Von Joly, Bangladesh, 1.4.14

Answer from Joly (Garment Worker’s Trade Union) – German:

Von Joly, Bangladesh, 1.4.14

Liebe Reingard und liebe Nina,

Gleich zu Beginn möchte euch im Namen der GewerkschafterInnen und der TextilarbeiteeInnen von Bangladesch meine tiefe Dankbarkeit aussprechen.

Ihr habt wirklich einen bemerkenswerten Beitrag geleistet, der uns nicht nur materiell weiterhilft, sondern uns auch für eine lange Zeit inspirieren wird. Wir sehen den Enthusiasmus die Hingabe und Leidenschaft die ihr in diese Aufgabe gesteckt habt und halten dies für absolut lobenswert.

Bangladesch ist ein Land in welchem die kapitalistische Vetternwirtschaft auf die Spitze getrieben wurde, in welchem die Arbeiterklasse seit langem unterdrückt wird. Doch die Situation verschlechtert sich noch weiter, vor allem was faire Löhne und sichere Arbeitsplätze betrifft. Die „Ready Made Garment“ (RMG) ArbeiterInnen haben noch nicht einmal einen sicheren Arbeitsplatz.

Nicht einmal nach Rana Plaza und der Tazreen Katastrophe wurden nennenswerte Schritte eingeleitet um Sicherheit zu gewähren und Basisversorgungen zur Verfügung zu stellen. Das „Garment Workers Trade Union Center“ (GWTUC – Textilarbeiter Gewerkschaftszentrum) hat Pionierarbeit in diesem Gebiet geleistet. Die ArbeiterInnen hier sind sich ihrer historischen Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse sehr bewusst. Wir arbeiten um die Rechte von ArbeiterInnen durchzusetzen und sicherzustellen, dass ihre Stimmen gehört werden. Wir glauben die Kommunikation mit den Arbeitern an der Basis ist ein Muss für effektive Arbeit. Darum sind wir in mitten der Arbeiterklasse aktiv, um ihren Stimmen Gehör zu verschaffen und ihre Rechte zu stärken. Die Popularität und Breite der Arbeit der GWTUC deutet auf ihre Effektivität und Integrität bezüglich ihrer Ziele.

GWTUC besteht aus einer Vielzahl engagierter Aktivisten die voller Enthusiasmus, Leidenschaft und Hingabe arbeiten. Sie arbeiten aufgrund eines tiefen Bedürfnisses sich für die Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse einzusetzen und Opfer zu bringen. Asma2 Asma Aktar Organizerin - Bild von WFK Aktar ist eine von ihnen. Seit 2006 arbeitet sie im GWTUC. Im Moment arbeitet sie bei „Madona garment“ in Gazipur. Wir haben entschieden sie als Vollzeitkraft einzustellen und eurer Geld für ihren Lohn auszugeben. Wir haben hier zwei Photos angehängt und es folgen mehr, so wie ihr wünscht.

Ihr werdet froh sein zu hören, dass wir unsere Mitglieder und Arbeiter über ver.di und eure Initiative informiert haben. Eure Arbeit wurde einhellig  willkommen geheißen und sowohl die ArbeiterInnen als auch unsere Gewerkschaftsmitglieder senden euch ihre tiefe Dankbarkeit und herzliche Grüße. Wir haben sie auch über die aktuellen ver.di Aktionen informiert, wie zum Beispiel die angekündigten Streiks an Flughäfen.

Außerdem finde ich eure Wege Spenden zu sammeln sehr kreativ. Eure Hingabe, eurer Mitgefühl und eure Integrität in dieser Aufgabe ist wirklich einzigartig. Wir stehen für diese Großzügigkeit in eurer Schuld.

Darum möchte ich nochmals im Namen des GWTUC unsere tief empfundene Dankbarkeit und Solidarität mit euren Initiativen aussprechen. Wir wünschen euch viel Erfolg bei zukünftigen Aktionen.

Ich freue mich von euch zu hören

Joly

www.gwtuc.org

Download letter German – English: 140401-Joly-an-Reingard-und-Nina-Letter-from-Bangladesh-English-German-end

Verdi-Women in Solidarity – 24 April – Rana Plaza collapse one year on (English – German)